Sonntag, 5. Oktober 2014

Epilog

Vor genau einer Woche ist unsere Austauschgruppe wieder in Berlin gelandet. Weg von der Sonne, weg aus der Wärme - das kalte Deutschland hat uns wieder.
Obwohl das übertrieben ist. Als wir aus dem Flugzeug ausgestiegen sind, hat draußen nicht gerade ein Schneesturm getobt, es war sogar ganz mild. Aber insgesamt war es dann doch eine Umstellung. Am wenigsten wegen dem Wetter, nein, es war vielmehr eine sehr abrupte Landung zurück im normalen Alltag.

Während der Rückreise habe ich mich ein paar Mal gefragt, wie sich eine Woche so lang und gleichzeitig so kurz anfühlen kann. Für diese knapp acht Tage waren es extrem viele Eindrücke. Und trotzdem verging die Zeit in Israel sehr schnell. Was aber völlig normal ist, denn auf jeden von uns kam eine ganz fremde Kultur und eine Reihe neuer Menschen zu. Da war es wirklich praktisch, dass unsere Partnergruppe schon im Juli bei uns in Deutschland war. So kannten wir uns schon und konnten quasi direkt "durchstarten", ohne großes Kennenlern-Prozedere. Man hat sich gleich in die Gastfamilie aufgenommen gefühlt und dafür bin ich sehr dankbar.
Im Vorfeld haben wir uns natürlich über Land und Leute informiert, aber dass diese Mentalität des "in-den-Tag-Hineinlebens" wirklich so existiert, hätte ich nicht erwartet. Die Lebenseinstellung der Israelis ist sehr verschieden zu unserer - um Übermorgen kümmert man sich heute noch nicht und Spontanität wird dort auch ziemlich drastisch definiert. Es stimmt also, dass die Menschen einfach mit dieser kritischen politischen Situation im Nacken leben und leben müssen (was bleibt ihnen denn auch für eine Wahl). Deshalb ist ihr Lebensgefühl auch von dieser Unbekümmertheit geprägt, die während unserer Zeit dort sogar ein bisschen auf mich abgefärbt hat.

Jetzt sind wir alle wieder zuhause angekommen, der Alltag geht weiter (und damit auch der Schulstress). Trotzdem bin ich unheimlich froh, bei diesem Austausch mitgemacht zu haben und möchte allen, die Teil davon waren und noch sind, 'Danke' sagen. Erst durch diese Menschen ist es eine so tolle Zeit geworden. Und ganz sicher bin ich nicht die einzige, die daraus eine Menge Erfahrungen mitnimmt und sie nicht bereut, im Gegenteil.



Dienstag, 30. September 2014

Day 8 - Zurück nach Hause

Bevor uns heute der Bus zum Flughafen bringt, nehmen uns die israelischen Hosts für eine Stunde in ihre Schule mit. Dort teilt sich unsere Gruppe auf und geht in verschiedene Räume hinein. Ich bin in einer Klasse für Computer Science gelandet (das ist hier der Informatikunterricht). Die Rechner sehen ziemlich vorsinnflutartig aus, so wie auch die ganze Schule. Die Wände sind aber häufig mit Plakaten und Jahrgangsfotos tapeziert; israelische Flaggen, oder zumindest die Farben, tauchen natürlich immer wieder auf. Eine Art Schulkleidung ist hier auch Pflicht. Die besteht zwar nur aus einem T-Shirt mit dem Schullogo, aber ohne das wird man nicht aufs Gelände gelassen. Die Farbe spielt dagegen keine Rolle, weshalb dieses lästige Gefühl einer Uniform nicht aufkommt.
Es ist unglaublich, wie laut eine Klasse um acht Uhr morgens schon sein kann - die Elftklässler reden in schnellem Hebräisch aufeinander ein oder rufen sich quer durch kleinen Raum etwas zu; wenn einer anfängt zu lachen, dann stimmen plötzlich mehrere Schüler mit ein und die Lautstärke, die sowieso schon nicht mit der in deutschen Klassenzimmern zu vergleichen ist, schwillt noch mehr an. Um diese Uhrzeit schläft bei uns zuhause normalerweise die Hälfte der Klasse. Die andere Hälfte schleicht im Zombie-Modus durch den Gang und redet nur das Nötigste.
Hier ist das ganz anders. Die Israelis sind noch aufgescheuchter als sonst und rufen wild Fragen hinein, nachdem wir uns kurz vorgestellt haben. So macht es wirklich Spaß, sich ein paar Minuten auszutauschen.

Die Zeit drängt, das Flugzeug wartet nicht. Jetzt heißt es Abschied nehmen. Als wir unsere Koffer zum Parkplatz schleppen, wird mir bewusst, dass es jetzt wirklich vorbei ist. Bevor wir alle in den Bus klettern, gibt es ein großes Umarmen und Verabschieden. Bei uns sowie bei unseren Gastgebern werden sogar ein paar Tränen verdrückt. Der Wunsch nach einem Gewitter, dass den Abflug cancelt oder danach, dass die Reifen des Busses auf misteriöse Weise platzen, geht letztendlich doch nicht in Erfüllung. Schließlich sitzen alle im Bus und wir winken den Israelis zum Abschied. Dann biegen wir um eine Kurve und sie sind außer Sichtweite.

Im Flughafen wartet ein Marathon auf uns - ein Marathon aus Sicherheitskontrollen. Jeder Koffer wird nach dem Durchleuchten gründlichst gefilzt, einige sogar zweimal, und wir werden zu den unsinnigsten Dingen befragt. Wieso genau es eine Rolle spielt, wo ich ein Glas Honig gekauft habe oder warum unbedingt alle mitgeführten Bücher Seite für Seite durchgeblättert werden müssen, ist mir schleierhaft. Und wenn ich wirklich gewisse Dinge zu verstecken hätte, dann würde ich das nicht in meinen löchrigen Schuhen tun.
Zweieinhalb Stunden später (und das durch pures Warten, Checks durchlaufen sowie zweimal mit einem Shuttle den Flugplatz überqueren) ist es endlich erlaubt, ins Flugzeug zu steigen. Diesmal ist es hell, also kann ich noch ein letzten Blick auf die Stadt werfen, die unter uns schnell kleiner wird. Ist dort der Strand, wo ein paar Tage zuvor im Dunkeln Frisbee gespielt haben? Es kann natürlich täuschen, aber der Gedanke daran ist verdammt schön.
Das Flugzeug dreht aufs Meer hinaus und die Küste mit Tel Aviv bleibt hinter uns zurück. Wir stoßen durch die Wolkendecke und jetzt ist das 'Heilige Land' verschwunden.
Aber wer weiß, vielleicht ist es für manche von uns kein Abschied für immer.



Montag, 29. September 2014

Day 7/Part II - A last night

Heute ist unser letzter Abend in Israel. Also höchste Zeit, noch ein paar Sachen für zuhause zu besorgen. Vom Basar nehme ich Gewürze und schwarzen Tee mit, außerdem israelischen Wein und Halva, eine Süßspeise aus gemahlenem Sesam oder Grieß mit Honig und Nüssen darin. Die gibt es in großen Blöcken, die ein wenig an Käseräder erinnern und von denen man sich einfach ein Stück abschneidet. Halva ist eines der süßesten Dinge, die ich hier jemals gegessen habe, und das will bei all den getrockneten Datteln und dem Blätterteiggebäck schon etwas heißen.
In der Wohnung müssen wir schon einmal unsere Koffer packen, denn morgen früh wird dafür keine Zeit bleiben. Die schnellste Methode: alle Klamotten hineinwerfen und hoffen, dass die Gewichtsgrenze nicht überschritten wird. Aber wieso müssen wir überhaupt jetzt schon packen? Wo ist nur die Zeit geblieben?
Das fragen wir uns wahrscheinlich alle. Und deshalb wäre es am schönsten, den allerletzten Abend mit unserer ganzen Austauschgruppe zu verbringen. Das erweist sich aber als etwas schwierig - unsere Hosts haben versucht, etwas mit allen zu organisieren, nur gibt es ein paar Probleme bei der Absprache und einige Leute wollen unbedingt eigene Pläne machen.
So verbringen wir den Abend in getrennten Gruppen, was ziemlich schade ist. Gerade heute hätten wir uns lieber noch einmal mit allen zusammen getroffen, als Ausklang des Exchanges. Trotzdem werden es ein paar schöne Stunden - und wer kann schon als Sechzehnjähriger von sich sagen, in einer Billiardhalle in Tel Aviv das Spielen gelernt zu haben. (Oder besser gesagt: gelernt zu haben, wie man sich nicht vollkommen blamiert.)
Vor dem Einschlafen denke ich zurück: Vor einer Woche sind wir in Israel angekommen und jetzt fühlt es sich an, als wären wir schon Monate hier. Es waren soviele Eindrücke und soviele Orte, die wir gesehen haben, ganz zu schweigen vom Leben in den Gastfamilien. Durch diese Nähe sind wir mittendrin in der hebräischen Realität. Das ist sehr aufregend, und vor allem in vielen Dingen so anders als in Deutschland. Aber gerade deshalb ist es so wichtig, sich auch einmal von seiner eigenen, bekannten Kultur zu lösen und in andere Lebensweisen hineinzuschnuppern. Für viel mehr als dieses "Schnuppern" blieb leider kaum Zeit, denn morgen müssen wir uns wieder verabschieden...

Samstag, 27. September 2014

Day 7/Part I - Trip to Caesarea

Als ich aufwache, zeigt die Uhr halb elf. Wir wollten heute eigentlich zeitig aufstehen, um nach Ceasarea zu fahren, das etwas über eine Autostunde entfernt ist. Leider hat bis auf die Gastmutter die ganze Familie verschlafen und liegt noch in den Federn. Aber nach einem schnellen Frühstück entscheiden wir uns, trotz der Hitze und dem Verkehr loszufahren.
Im Auto merken wir dann einmal mehr, was hier überhaupt die ganze Zeit im Radio läuft: das reinste Retro-Gedudel. Es kommt schon einem kleinen Kulturschock gleich, mit Modern Talking im Hintergrund an den Gebäuden des israelischen Geheimdienstes vorbeizufahren. Auch "And when the rain begins to fall" hat hier eine gewisse Ironie - bei geschätzt zehn Regentagen pro Jahr.
Caesarea ist eine altes römisches Dorf, das damals von König Herodes gebaut wurde. Jetzt stehen davon nur noch die Ruinen. Es liegt direkt am Meer und zwischen den Resten von alten Bädern und Mosaiken brutzelt uns die Sonne. Das Amphitheater von damals wurde restauriert und jetzt noch gibt es hier Konzerte und Shows. An dem kleinen Sandstrand kühlen wir uns im Wasser ab, bevor es wieder zurück geht.



Wie befürchtet geraten wir mitten in die Rush-Hour. Auf der Autobahn ist es verdammt voll, aber so bleibt Zeit für einen langen Blick nach links, auf die palästinensischen Siedlungen. Die Straße verläuft unmittelbar neben der Mauer, die hier Israel begrenzt. Sechs Meter hoch und oben mit einem Elektrozaun dekoriert. Von palästinensischer Seite sieht man nur eine erdrückende Betonwand. Auf unserer, der israelischen Seite ist ein Erdwall davor aufgeschüttet, der mit Blumen und Sträuchern bepflanzt das mulmige Gefühl im Bauch ein wenig dämpft. Und das ist vermutlich auch so gewollt.

Day 6 - Trip to Yafo

Seit gestern haben wir den Rest der Reise mehr oder weniger Freizeit. Die letzten Tage waren so voll mit neuen Eindrücken, dass es gut tut, diese ersteinmal sacken zu lassen. Ohne Zeit zum Durchatmen wäre es ziemlich hart, all das Unbekannte zu verarbeiten.

Wegen dem Neujahrsfest haben die Israelis drei Tage Ferien, also verbringen wir die restlichen Zeit der Reise mit ihnen. Heute macht aber die ganze Gruppe noch einen Ausflug nach Yafo, einen Vorort nicht weit von Tel Aviv. Diese kleine Stadt ist sogar älter als Jerusalem und die engen verwinkelten Gassen sind sehr ähnlich gebaut. In einer dieser Gassen sind kleine Fliesen an der Mauer angebracht, auf denen zwölf Sternzeichen aufgemalt sind. Unten auf der Promenade ist sehr viel los. Wir schlendern zwischen den Ständen herum und finden ein paar hübsche Kleinigkeiten.



Den restlichen Nachmittag verstreut sich unsere Gruppe aber über den Strand. Heute sind die Wellen noch viel höher, ein Traum für alle Surfer. Man kann sich kaum auf den Beinen halten, so stark ist die Unterströmung, und mich reißt es mehr als einmal komplett um. Später wird der Strand wegen dem Wellengang sogar für Badende geschlossen. Wir dösen in der Sonne herum, bis es am Abend zurück nach Holon geht.

Freitag, 26. September 2014

Day 5 - Free Day

Heute ist der erste Tag des neuen Jahres im Judentum - also schulfrei. Das bedeutet, wir und unsere Hosts können ausschlafen. Die Zwillingsschwestern Eden und Jessica haben Geburtstag, deswegen werde ich vom Lärm im Wohnzimmer geweckt, der klingt, als wäre die ganze Wohnung voller Gratulanten. In Wirklichkeit sind es nur drei ihrer Freundinnen, aber Israelis machen einfach immer doppelt soviel Krach wie wir. Es gibt ein spätes Geburtstagsfrühstück und danach fahren wir in die City von Tel Aviv. Christian, der Gastvater, scheucht uns mit einer Kamera bewaffnet von einem Ort zum nächsten - ich fühle mich wie bei einem Fotoshooting.
Den Rest des Tages verbringen wir am Strand. Die Wellen sind total hoch und wir springen wie die kleinen Kinder im Wasser herum.
Am Abend steht die Geburtstagsparty der beiden an. Das Problem ist, dass anscheinend eine ganze Horde israelischer Jungs gekommen ist, mit denen niemand wirklich gerechnet hat. Das heißt, die kleine Wohnung ist so vollgestopft, dass man weder die eigenen Worte noch die eigenen Gedanken verstehen kann.
Die Nacht wird noch ziemlich lang, aber nachdem wir uns nach draußen verlagert haben, werden die Kopfschmerzen langsam besser. Gegen halb drei Uhr morgens falle ich endlich völlig kaputtgespielt ins Bett.

Day 4/Part II - Rosh Hashana

Nach der Rückankunft aus Jerusalem bleibt bis zum Abend noch ein bisschen Zeit zum Entspannen. Dann kommen die Eltern unserer Gastmutter und es gibt ein großes Abendessen. Rosh Hashana - das Neujahrsfest - verbringt jede Familie zu Hause, die religiösen gehen auch in die Synagoge. Traditionell gibt es an diesem Abend mehr Süßspeisen als sonst. Deshalb wünscht man sich auch ein Frohes und Süßes Neues Jahr. Dabei werden Apfelstücke in Honig getaucht und der siebenarmige Chanukka-Leuchter angezündet.
Unsere Gastfamilie ist aber nicht religiös und pflegt auch keine besonderen Traditionen. Hier wird an dem Abend nur ein Toast auf Gesundheit und Glück ausgesprochen und dann gibt es die verschiedensten Sachen zu essen: das typische Brot, von dem sich jeder etwas abbricht, gefüllte Paprika, süßer Gewürzreis, Gemüseauflauf, Hummus, Salat, Oliven... Zum Nachtisch mehrere Kuchen und natürlich Datteln & Granatäpfel.


Wir sitzen den ganzen Abend zusammen und reden. Es ist ein bisschen wie unser Weihnachten, nur ohne Geschenke. Wir werden einfach so in den Kreis einer quasi fremden Familie aufgenommen und das funktioniert wirklich einfacher als gedacht. Unser gewissermaßen "Gast-Großvater" spricht sogar Jiddisch und versteht deshalb ein bisschen Deutsch. Beim Abschied antwortet er auf mein einfaches 'Bye' sogar (wenn auch sehr gebrochen) mit 'Auf Wiedersehen'.
Shana Tova! - Frohes Neues Jahr!